Proleten Prora
Mittwoch, 15. Juli 2015, 22:28
Wie schon angedeutet, habe ich mir gestern in Ansätzen das angesehen, was man als größten stein- bzw. betongewordenen und bis heute erhaltenen Irrsinn des dritten deutschen Reiches kategorisiert - nur meine Heimat Nürnberg bietet mit dem Reichsparteitagsgelände eine noch größere Anhäufung an Gebäuden aus der Zeit von '33 bis '45. Der "Koloss (nicht "Riese" wie bereits geschrieben) von Rügen" ist wahrlich ein gigantisches Unterfangen: Hier sollte, von der deutschen Arbeitsfront DAF (der damaligen Einheitsgewerkschaft) konzipiert und verantwortet eines von 5 deutschen Seebädern enstehen, in dem ab 1940 20.000 (!) Volks- und Parteigenossen gleichzeitig Urlaub machen sollten. Dafür war eine gigantische Hotelanlage nördlich des damals schon beliebten Urlaubsdomizils Binz auf Rügen geplant und bis '39 als Rohbau auch größtenteils fertiggestellt worden. Hier sollte der deutsche Arbeiter durch die DAF Unterorganisation Kraft durch Freude (KDF) umgesetzt genau das erfahren: Psychische Kraft und Belastungsfähigkeit. Schließlich hatte der größte Feldherr aller Zeiten noch einiges vor mit seinem Volk.
Ein zeitgenössiches Modell der Anlage...
Und hier ein nachgebautes Modell - ich glaube dafür mussten sie ganze Zimmerwände einreißen, um es aufstellen zu können.
Eine der schier endlosen Fassaden eines der Bettenhaus-Blöcke...
Der Archtitekt Clemes Klotz machte seinem Namen aller Ehre und tat alles andere als zu kleckern. Der gesamte Gebäudekomplex sollte sich über sage und schreibe gut 5 Kilometer hinziehen. Denn schließlich sollte jedes gerade einmal 2,5 x 4,75 m große/kleine Zimmer Meerblick haben. Dazwischen waren immer wieder fast bis ins Meer hineinreichende Restaurantgebäude bzw. Speisesäle vorgesehen. Außerdem gab es große Liegehallen, die bei schlechtem Wetter dank Infrarotstrahlern (!) angenehmens Liegen/Bräunen auch bei Schietwetter ermöglichen hätten. Sogar zwei Wellenschwimmbäder (vermutlich einmalig zu der Zeit) waren geplant. Ein eigener Bahnhof sowie eine eigens errichtete Schiffsanlegestelle - auch für richtig große Pötte - sollte für den Austausch von täglich 3.000 ein- und auscheckenden Urlaubern sorgen. Auch die Infrastruktur für die Versorgung war geplant bzw. im Entstehen - warum auch immer wurde eine Gärtnerei als eines der ersten Objekt fertig. Eigene Brunnen wurden gebohrt, denn der Koloss hätte 1 Millionen Liter Trinkwasser verschlungen - pro Tag versteht sich!
Rekonstruiertes Prora-Zimmer...
Doch statt Urlaub machten die deutschen Arbeiter zu der Zeit Überstunden und bauten Panzer, Bomben und alles andere, was man zum Kriegmachen so braucht. Mit KDF-Urlaub war es genauso so wie mit KDF-Wägen (Käfer): Für längere Zeit erst mal Schicht im Schacht. Im Krieg diente der Bau bzw. andere Gebäude dann der Ausblidung von Nachrichtenhelferinnen und Polizeieinheiten. '44/'45 auch kurzzeitig als Lager für Flüchtlinge. Diese mussten nach dem Krieg ihre Bleibe für die Russen räumen. Die wussten aber nicht allzuviel mit dem Torso anzufangen und gaben Teile als Baumaterialspender zum Ausschlachten frei. Einige sprengte man dann in der Folgezeit auch komplett weg, da zu gefährlich. Parallel übernahmen DDR-Staatsorgane die Anlage und machten der Rohbau "urbar". Doch nicht nur der NVA diente das Monstrum als Quartier, erstmals kam es auch seiner eigentlichen Bestimmung als Ferienunterkunft nach und diente statt für national- für sozialistische Arbeiter als Herberge.
So sieht das ganze heute von oben aus. Von den ursprünglich 8 Bettenhaus-Blöcken sind 5 noch vollständig erhalten...
Nach der Wiedervereinigung und nachdem die Bundeswehr mit Prora auch nicht recht etwas anzufangen wusste und es '92 flugs wieder verließ, ging es mit dem riesigen Bauwerk stark berab. Der Bund als Eigentümer wollte es loswerden und veräußerte es in Teilen an Immobilienhaie - pardon: seriöse Spekulanten und Grund-und-Boden-Verweser. Nur ein kleiner Teil ging an das Land, das darin eine richtig große Jugendherberge einrichtete. Nachdem die Eigentümerverhältnisse sich zum vermutlich 48. Mal geändert haben, wird nun Stück für Stück modernisiert, umgebaut und als Eigenstumswohnung bzw. Hotelsuite (die man dann kauft und sie über die Vermietung als "Hotelzimmer" refinanziert) luxussaniert. Man darf gespannt sein, welches Aussehen das ganze in den kommenden Jahren annehmen wird - immerhin steht das "Bad der 20.000" unter Denkmalschutz.
Darüber und über die Seebad-Historie informieren gleich drei Einrichtungen, sprich Museen und Ausstellungen. Am skurrilsten ist defintiv die Kultur-Kunststatt, eine private Einrichtung. Die berherbergt so ungefähr 14 Museen und Ausstellungen in einem. So viel bunte Mischung hat nicht mal Haribo zu bieten. Für den Eintrittspreis, der sogar verhandelbar ist (kein Scherz!) bekommt man ein Prora-, ein NVA, ein Heimat- sowie ein DDR-Zweirad-Museum zu sehen. Außerdem eine Münz-, eine Schreibmaschinen-, eine 100-Jahre-1.Weltkrieg, eine Naturkunde-, eine DDR-Gebrauchsgüter- und den-Rest-habe-ich-vergessen-Ausstellung. Da ist garantiert für jeden was dabei.
Für den gleichgeschalteten Volksgenossen war vieles im 3. Reich neu und faszinierend. Neben Urlaub machen auch einen eigenen Wagen zu besitzen...
Auch wenn die jeweiligen Musseen etwas improvisiert wirken, so bieten sie doch viel Info für's Geld...
In den Gängen sieht nicht nur aus wie zu NVA-Zeiten, ist riecht auch so...vermutlich...
In jedem Zimmer ist eine andere Ansammlung von Militaria zu sehen. Hier ein bisschen Fallschirmspringer-Equipment...
Hier Elektronik, mit der man Übungschießeinrichtungen ausstattete...
Wer sagt, dass die DDR ein totalitärer Staat war? Selbst den Haarschnitt durfte man sich bei der NVA aussuchen...
Und hier etwas Ostalgie auf zwei Rädern...
Früher sperrten sie in der DDR Menschen ein, heute ein paar alte Kaffemaschinen und Fernseher aus damaliger Produktion. Wie sich die Zeiten geändert haben...
Das außerdem von einem Verein getragene "Dokumentationszentrum" ist eher eine typische 3.-Reich-Allgemeinwissenvermittlungseinrichtung. Ein Besuch lohnt sich in meinen Augen nicht wirklich.
Ein zeitgenössiches Modell der Anlage...
Und hier ein nachgebautes Modell - ich glaube dafür mussten sie ganze Zimmerwände einreißen, um es aufstellen zu können.
Eine der schier endlosen Fassaden eines der Bettenhaus-Blöcke...
Der Archtitekt Clemes Klotz machte seinem Namen aller Ehre und tat alles andere als zu kleckern. Der gesamte Gebäudekomplex sollte sich über sage und schreibe gut 5 Kilometer hinziehen. Denn schließlich sollte jedes gerade einmal 2,5 x 4,75 m große/kleine Zimmer Meerblick haben. Dazwischen waren immer wieder fast bis ins Meer hineinreichende Restaurantgebäude bzw. Speisesäle vorgesehen. Außerdem gab es große Liegehallen, die bei schlechtem Wetter dank Infrarotstrahlern (!) angenehmens Liegen/Bräunen auch bei Schietwetter ermöglichen hätten. Sogar zwei Wellenschwimmbäder (vermutlich einmalig zu der Zeit) waren geplant. Ein eigener Bahnhof sowie eine eigens errichtete Schiffsanlegestelle - auch für richtig große Pötte - sollte für den Austausch von täglich 3.000 ein- und auscheckenden Urlaubern sorgen. Auch die Infrastruktur für die Versorgung war geplant bzw. im Entstehen - warum auch immer wurde eine Gärtnerei als eines der ersten Objekt fertig. Eigene Brunnen wurden gebohrt, denn der Koloss hätte 1 Millionen Liter Trinkwasser verschlungen - pro Tag versteht sich!
Rekonstruiertes Prora-Zimmer...
Doch statt Urlaub machten die deutschen Arbeiter zu der Zeit Überstunden und bauten Panzer, Bomben und alles andere, was man zum Kriegmachen so braucht. Mit KDF-Urlaub war es genauso so wie mit KDF-Wägen (Käfer): Für längere Zeit erst mal Schicht im Schacht. Im Krieg diente der Bau bzw. andere Gebäude dann der Ausblidung von Nachrichtenhelferinnen und Polizeieinheiten. '44/'45 auch kurzzeitig als Lager für Flüchtlinge. Diese mussten nach dem Krieg ihre Bleibe für die Russen räumen. Die wussten aber nicht allzuviel mit dem Torso anzufangen und gaben Teile als Baumaterialspender zum Ausschlachten frei. Einige sprengte man dann in der Folgezeit auch komplett weg, da zu gefährlich. Parallel übernahmen DDR-Staatsorgane die Anlage und machten der Rohbau "urbar". Doch nicht nur der NVA diente das Monstrum als Quartier, erstmals kam es auch seiner eigentlichen Bestimmung als Ferienunterkunft nach und diente statt für national- für sozialistische Arbeiter als Herberge.
So sieht das ganze heute von oben aus. Von den ursprünglich 8 Bettenhaus-Blöcken sind 5 noch vollständig erhalten...
Nach der Wiedervereinigung und nachdem die Bundeswehr mit Prora auch nicht recht etwas anzufangen wusste und es '92 flugs wieder verließ, ging es mit dem riesigen Bauwerk stark berab. Der Bund als Eigentümer wollte es loswerden und veräußerte es in Teilen an Immobilienhaie - pardon: seriöse Spekulanten und Grund-und-Boden-Verweser. Nur ein kleiner Teil ging an das Land, das darin eine richtig große Jugendherberge einrichtete. Nachdem die Eigentümerverhältnisse sich zum vermutlich 48. Mal geändert haben, wird nun Stück für Stück modernisiert, umgebaut und als Eigenstumswohnung bzw. Hotelsuite (die man dann kauft und sie über die Vermietung als "Hotelzimmer" refinanziert) luxussaniert. Man darf gespannt sein, welches Aussehen das ganze in den kommenden Jahren annehmen wird - immerhin steht das "Bad der 20.000" unter Denkmalschutz.
Darüber und über die Seebad-Historie informieren gleich drei Einrichtungen, sprich Museen und Ausstellungen. Am skurrilsten ist defintiv die Kultur-Kunststatt, eine private Einrichtung. Die berherbergt so ungefähr 14 Museen und Ausstellungen in einem. So viel bunte Mischung hat nicht mal Haribo zu bieten. Für den Eintrittspreis, der sogar verhandelbar ist (kein Scherz!) bekommt man ein Prora-, ein NVA, ein Heimat- sowie ein DDR-Zweirad-Museum zu sehen. Außerdem eine Münz-, eine Schreibmaschinen-, eine 100-Jahre-1.Weltkrieg, eine Naturkunde-, eine DDR-Gebrauchsgüter- und den-Rest-habe-ich-vergessen-Ausstellung. Da ist garantiert für jeden was dabei.
Für den gleichgeschalteten Volksgenossen war vieles im 3. Reich neu und faszinierend. Neben Urlaub machen auch einen eigenen Wagen zu besitzen...
Auch wenn die jeweiligen Musseen etwas improvisiert wirken, so bieten sie doch viel Info für's Geld...
In den Gängen sieht nicht nur aus wie zu NVA-Zeiten, ist riecht auch so...vermutlich...
In jedem Zimmer ist eine andere Ansammlung von Militaria zu sehen. Hier ein bisschen Fallschirmspringer-Equipment...
Hier Elektronik, mit der man Übungschießeinrichtungen ausstattete...
Wer sagt, dass die DDR ein totalitärer Staat war? Selbst den Haarschnitt durfte man sich bei der NVA aussuchen...
Und hier etwas Ostalgie auf zwei Rädern...
Früher sperrten sie in der DDR Menschen ein, heute ein paar alte Kaffemaschinen und Fernseher aus damaliger Produktion. Wie sich die Zeiten geändert haben...
Das außerdem von einem Verein getragene "Dokumentationszentrum" ist eher eine typische 3.-Reich-Allgemeinwissenvermittlungseinrichtung. Ein Besuch lohnt sich in meinen Augen nicht wirklich.